Die ehemaligen Kasernen an der Papestraße

Kasernen Gebäude der preußischen Armee
Ehemalige Backstein-Kaserne

Dieses Gelände atmet förmlich Geschichte und liegt mitten in Berlin. Aber die wenigsten dürften es kennen. Auf den Kopfsteinpflaster-Wegen sind nur wenige Menschen unterwegs, es ist ruhig, und doch liegt einer der größten Bahnhöfe Berlins gleich um die Ecke. Es ist wie eine Zeitreise: Zeugnisse preußischer, deutscher und Berliner Geschichte treffen hier dichtgedrängt auf einem verwinkelten und schwer überschaubaren Terrain zusammen. Die Rede ist vom ehemaligen Kasernengelände und jetzigen Gewerbestandort an der General-Pape-Straße in Tempelhof, gleich gegenüber von der Roten Insel.

Es ist etwas schäbig und heruntergekommen, doch hinter jeder Biegung gibt es etwas zu entdecken. Ein paar alte Kasernengebäude mit Büros und Wohnungen, denen mal ein Teil des Daches fehlen oder mal ein ganzer Flügel, hier ein Autohändler in einer Baracke, dort das Technische Hilfswerk mit Garagen, das Robert-Koch-Institut, Handwerker und Laubenpieper. Es ist eine wilde Mischung, die sich in Jahrzehnten zusammengefunden hat und so kaum noch in Berlin zu finden ist.

Vom Kartoffel-Acker zur Rennbahn

Das Tempelhofer Feld erstreckte sich ursprünglich bis hierher und gehörte einstmals Bauern. 1828 kaufte das Militär die Flächen auf und verpachtete das Areal an den „Verein für Pferdezucht und Pferdesport“, der dort 1830 eine große Rennbahn anlegte inklusive Tribünen und Loge für den König. Die Rennbahn musste allerdings schon bald darauf der Anhalter Bahn weichen, die 1841 ihren Betrieb aufnahm.

Dies war wiederum Voraussetzung für die Ansiedlung der Eisenbahnregimenter der preußischen Armee. Zunächst westlich der Bahnlinie an der Kesselsdorfstraße, heute stehen hier die Neubauten der Johannes-Schule, nebenan gibt es Sportplätze. An der Kolonnenstraße entstand ein Bahnhof für die Königliche Militäreisenbahn. Von diesen Bauten ist heute nichts mehr übrig, der Bahnhof wurde in den 50er Jahren dem Erdboden gleich gemacht. Östlich der Bahnlinie baute die Armee Kasernen für die Eisenbahnregimenter I bis III, von denen noch einige Reste zu sehen sind. Auf dem einstigen Exerzierfeld in der Mitte der Anlage gärtnern heute Laubenpieper. Die Fläche wurde nach dem Zweiten Weltkrieg angelegt, nicht für Erholungszwecke, sondern weil die Berliner hungerten. 

Luftfahrt-Geschichte

Im südlichen Gebiet residierten vor der Kasernen-Bebauung zwischen 1885 und 1901 die Luftschiffer. Das Militär experimentierte mit Zeppelinen und Ballons, auch für wissenschaftliche Zwecke. So stieg 1901 der Ballon „Preußen“ mit zwei Passagieren auf eine Höhe von 10.800 Metern. Der „Ballonfahrer-Weg“, eine relativ neue Straße, erinnert an die einstige Nutzung.

Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg musste das besiegte Deutsche Reich die Eisenbahnregimenter auflösen und auf dem Gelände siedelten sich erste Gewerbebetriebe an. In die ehemalige Exerzierhalle zogen beispielsweise die Deutschen Orthopädischen Werke ein, die für die Kriegsverletzten hier Rollstühle und Prothesen bauten – eine makabre Wendung der Geschichte.

Folterkeller SA
Eingang zum ehemaligen SA-Gefängnis

Dunkle Geschichte: SA-Folterkeller

Das finsterste Kapitel ereignete sich im Jahr 1933. Die SA-Feldpolizei verschleppte gleich nach der „Machtergreifung“ politische Gegner, Juden und andere missliebige Personen in einen Folterkeller. Unter den Gefangenen war auch die Bibliothekarin Hertha Block, nach der die „Promenade“ auf der Roten Insel benannt ist. 30 Personen wurden hier nachweislich ermordet oder starben später an ihren schweren Verletzungen. Seit 2011 ist der Keller im Rahmen einer beeindruckenden Ausstellung öffentlich zugänglich. Hierfür sollte man sich viel Zeit nehmen, es lohnt sich, die Augenzeugenberichte durchzulesen, gerade in den heutigen Tagen voller Neu-Faschisten, Janas aus Kassel und Möchtegern-Anne-Francks.

Den 2. Weltkrieg haben einige Gebäude nicht überlebt. Aber auch für die Zeit danach finden sich Spuren der deutschen Geschichte. So wurde auf dem Gelände ein Teil der Senatsreserve gelagert und im Werner-Voß-Damm 62 fanden Flüchtlinge aus Ost-Berlin und der DDR ihre erste Unterkunft.

Zukunft: ungewiss

Wie lange das Gebiet noch seinen urigen Charakter behalten kann, ist aber fraglich. Es gibt bereits Pläne, es zu „verdichten“, wie es so schön heißt. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verwaltet das Areal und es kursieren schon seit einigen Jahren Überlegungen, wie das Gelände „aufzuwerten“ sei. Der Charme des Ortes ginge sicher verloren. Hoffentlich entstehen keine unbezahlbaren Luxusbauten und hoffentlich bleibt die Geschichte sichtbar.

Ein Spaziergang auf dem Gelände lohnt sich. 14 große Tafeln des Geschichtsparcours Papestraße informieren über die Geschichte des ehemaligen Kasernengeländes und an jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken.

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