Insel-Wahl-Watching, Teil II

Aus dem „Werbung unerwünscht“-Briefkasten gefischt

Inzwischen sind die Straßen vollplakatiert, Wahlwerbung in meinen „Werbung unerwünscht“-Briefkasten geflattert (übrigens nur von SPD und Grünen bislang), also wird es höchste Zeit, den Blick auf den zweiten Wahlkreis auf der Insel zu werfen. Bekanntermaßen muss Lars Oberg einen Teil seines Reiches an seinen Chef abtreten, seines Zeichens Vorsitzender der Berliner SPD und der Fraktion im Abgeordnetenhaus, Michael Müller. Östlich der Gotenstraße und südlich der Kolonnenstraße streitet dieser mit Markus Klaer von der CDU und der Grünen Renate Giese um den Direkteinzug in das Abgeordnetenhaus. Im Gegensatz zu seinem Nachbarn Oberg findet man über Müller in Bezug auf seinen Wahlkreis sehr wenig im Netz: Ein kurze Biographie auf der Parteiseite inklusive eines nicht funktionierenden Links auf die Parlamentshomepage ist alles; die Rote Insel wird im Zusammenhang mit seinem Namen nicht erwähnt. Der Name Müller steht somit nicht für konkrete Wahlkreisarbeit sondern für zehn Jahre Rot-Roter Senat, wie immer man diesen beurteilen will.
CDU-Mann Markus Klaer wiederum zeigt ein wenig mehr Bemühen auf seiner eigenen Homepage. Bei einem genaueren Blick offenbart sich jedoch der übliche CDU-Populismus sowie eine unglaubliche Beliebigkeit, bei der man nicht weiß, ob man gerührt sein soll ob des anscheinend ernst gemeinten Unsinns oder eher fassungslos. Neben dem üblichen Geblubber über Sicherheit („Kampf der Verwahrlosung“ – angesichts der Vermüllung des Straßenraums durch Wahlplakate ein echter, schlechter Witz), Migration („Aktive Migrationspolitik“ etc.) oder Familie wird es vor allem beim Punkt Stadtentwicklungspolitik interessant: Hier schafft es Markus Klaer, die Fertigstellung der Vorplätze am Südkreuz (fertig seit April), eine bessere Überquerung des Sachsendamms für Fußgänger (in den letzten Jahren wurden mindestens drei neue Ampeln aufgestellt – ist der Kandidat dort je zu Fuß unterwegs gewesen?) sowie „eine zügige Realisierung des Nord-Süd-Grünzuges und des Grünzuges entlang der Wannseebahn“ zu fordern. Letzteres ist ja sehr lobenswert, wenn nicht ganze drei Sätze später folgendes Statement stehen würde: „Neue Grünanlage sind auf absehbare Zeit weder finanzierbar noch zu unterhalten.“ Mehr ist zur Ernsthaftigkeit dieses Kandidaten kaum zu schreiben.
Renate Giese wiederum ist eingefleischte Grüne seit 30 Jahren und gebürtige Tempelhoferin. Auf ihrer Parteiseite wird relativ knapp ihre Biographie vorgestellt sowie einige konkrete Positionen in Bezug auf ihren Wahlkreis genannt, wobei hier (im Gegensatz zu ihrem Flyer) die Insel ebenfalls leider keine Erwähnung findet. Dafür lehnt sie den Bau einer Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld ab sowie dessen Erhalt als „Kälteschneise für die nahe gelegenen Wohngebiete“. Den Finger in die Bezirks-Wunde der Fahrradpolitik („augenfällige Unfähigkeit der Bezirksverwaltung“) legt Renate Giese bezüglich des Tempelhofer Damms und möchte hier endlich eine „feste, zukunftsfeste Planung“ entgegensetzen. Ach, das wäre schön!

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